Andacht August 2021
Der gute Hirte
Vielleicht denkst Du schon beim Lesen dieser Überschrift, das kenn ich schon, schon so oft gelesen, verinnerlicht, erfahren, nicht erfahren. Ein Mutmachpsalm durch die ganze Zeitgeschichte – für heute und morgen!
Ich freue mich an dem Bild der Schafherde auf einer grünen (eingezäunten) Wiese, den kleinen Lämmchen mit ihren stacksigen Beinen, der bedächtig auf dem Boden liegenden Schafe, weiße, braune, schwarze. Dieses Bild strahlt eine Ruhe, eine Geborgenheit auf mich aus. Man hat das Gefühl, hier ist die Welt in Ordnung. Alles ist bedächtig, keine Streitereien, Eifersüchteleien, Machtspielchen. Alles ist friedvoll.
Früher sah man auch den Hirten und den Hirtenhund bei der Schafherde. Heute wird ein Zaun aufgestellt und wenn die Wiese leergefressen ist, zieht die Schafherde weiter zur nächsten grünen Wiese.
Wir alle kennen Psalm 23 „Der gute Hirte“ oder die berühmten Worte Jesu: „Ich bin der gute Hirte“.
Wenn Jesus mein guter Hirte ist, dann bin ich das Schaf. Lässt sich das oben beschriebene Bild von der bedächtigen, friedvollen Schafherde auf mein Leben übertragen? Mein Leben mit dem guten Hirten Jesus? Wenn wir Psalm 23 lesen bzw. nach vielen Jahren Christsein schon in- und auswendig vorsagen können, dann verspricht uns dieser Psalm dieses Bild.
Nehmen wir doch mal Vers 1:
Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln!!
Ist das wirklich so?
Kann ich das jeden Tag aus tiefstem Herzen aussprechen? Wenn ich ganz ehrlich bin – ich krieg das nicht jeden Tag hin. Da gibt es Tage, wo ich mich leer fühle, einsam, wo ich genau spüre, da fehlt was – nur was? Meist schiebe ich es auf meine Kinderlosigkeit, auf die fehlende Familie.
Oder Vers 2:
Er weidet mich auf einer grünen Aue und führet mich zum frischen Wasser.
Was für ein schönes Bild. Ja, das tut er. Immer wieder. Und doch gibt es Zeiten, in denen ich mich eher auf ausgetrocknetem Boden befinde und das Lebens-Wasser abgestanden ist.
Ob das die Schafe, die ich so um ihr Dasein beneide, auch so erleben? Irgendwann ist die grüne, satte Wiese abgefressen und bis wieder neues Gras nachwachsen kann, dauert es eine Weile. Der gute Hirte lässt seine Schafe nicht einfach auf der abgegrasten Wiese sitzen und wartet bis neues Gras nachwächst – da würde großer Mangel bei den Schafen auftreten, die kleinen Lämmlein würden wahrscheinlich mit dem Leben bezahlen. Was macht der gute Hirte. Er zieht weiter mit seiner Herde. Er hält Ausschau nach der nächsten grünen Wiese.
Wenn ich zurückschaue auf mein Leben mit dem guten Hirten Jesus, dann stelle ich fest, dass er mit mir immer weitergezogen ist und weiterziehen wird, wenn mein geistliches Leben leergefressen ist, wenn ich nur noch dürres Land vorfinde. Wenn sich die Leere breit macht, die Einsamkeit schmerzt, die Angst vor dem Alter (in dem ich schon voll drin stecke) und was noch kommen wird, mein Herz zerfrisst. Muss ich das aushalten, zulassen, zugrunde gehen? Nein, ich habe den guten Hirten, der mit seinem Hirtenstab fest in meinem Leben steht. Der bei mir ist und mich tröstet in all den nicht beantworteten Fragen, in allen Ängsten und in aller Unruhe, die mir den Frieden raubt.
1) Er sagt zu mir:
Ich, der Herr, bin dein Hirte, dir wird nichts mangeln.
Ganz spontan denkt man da an äußeren Mangel wie Essen, Trinken, Kleidung, Wohnung etc. Davon sind Gott sei Dank in unserem Land die wenigsten Menschen betroffen. Aber es gibt auch inneren Mangel, der meines Erachtens viel schwerwiegender ist. Fehlt unserem Körper ein lebenswichtiges Vitamin, sind Krankheiten über kurz oder lang die Folge. So ist es auch mit unserer Seele. Hat sie Mangel, leidet sie, wird sie krank.
In 2. Mose 15, 26 sagt Gott zum Volk Israel:
Ich bin der Herr, dein Arzt.
Das Volk hatte sich von Gott abgewandt, gemurrt etc. Sie wurden krank. Erst als sie sich wieder Gott zuwandten wurden sie gesund. Unsere Seele wird Mangel leiden, wenn wir uns nicht nähren von der Liebe Jesu im Gebet, im Bibel lesen, in der Stille vor ihm. Je älter ich werde, desto wichtiger und wertvoller wird mir das einfach dasitzen bei Jesus. Schweigend.
Pater Ansel Grün beschreibt es so:
Als Mose Gott am brennenden Dornbusch begegnete, war nur er da – und Gott.
Als Samuel mitten in der Nacht Gott im Tempel begegnete, war nur er da – und Gott.
Als Elija auf dem Gottesberg Horeb Gott begegnete, war nur er da – und Gott.
Anschließend waren sie gestärkt, froh, ihres Weges gewiss, furchtlos.
Gottesbegegnung in der Stille ist persönlich, intim, zärtlich.
Du wirst spüren, wenn er da ist, dich einhüllt in seine Gegenwart und zu dir sagt:
„Fürchte dich nicht. Ich bin es. Bei deinem Namen habe ich dich gerufen.“
2)
Er erquickt meine Seele!
In Psalm 104, 23 heißt es:
So geht dann der Mensch aus an seine Arbeit und an sein Werk bis an den Abend.
Die Arbeit macht es uns nicht leicht, Gott immer im Blick zu haben. Zu viele Stimmen, zu viele Begegnungen, zu viele Menschen, die etwas von mir fordern, mithalten können, nicht den Anschluss verlieren in den Social Medien, einfach zu viel.
Da ist es ein guter Gegenpol, wenn wir am Ende des Tages innehalten und uns Gedanken darüber machen:
Wo ist Gott mir heute begegnet?
Keine leichte Aufgabe, bei all den Einflüssen, die den ganzen Tag über uns reingeprasselt sind. Und doch lohnt es sich. Nimm dir ein Notizbuch und schreibe jeden Abend auf:
Wo ist der gute Hirte mir heute begegnet?
Oft sind es die ganz kleinen Dinge. Wenn wir uns ihnen öffnen, sie uns bewusst machen, dann spüren wir, wie sie unsere Seele erquicken - wie ER unsere Seele erquickt.
Wenn du zeichnen oder malen kannst, dann nimm dir Zeit und male die Blume, die du heute im Garten bewundert hast, oder den Vogel, der dich mit seinem Lied erfreut hat.
Und wenn dir gar nichts einfällt, dann lies Psalm 104 der uns so wunderbar beschreibt, wie gut Gott zu seiner Schöpfung und seinen Menschen ist.
Und es gibt auch die großen Dinge, mit denen er uns erquickt.
Die Gebetserhörung, auf die wir schon so lange warten. Plötzlich melden sich liebe Menschen, zu denen wir den Kontakt verloren haben. (Passiert uns gerade am laufenden Band – liegt wahrscheinlich am Alter, aber es erquickt unsere Seele).
3) Er verspricht mir:
Gutes und Barmherzigkeit werden dir folgen dein Leben lang und du wirst bleiben im Hause des Herrn immerdar.
Ein gewaltiges Versprechen, das uns der gute Hirte hier gibt.
Heißt das, mein ganzes Leben ist Friede, Freude, Eierkuchen. Nein! Und ich glaube wir kinderlosen Ehepaare wissen nur zu deutlich um dieses Nichtgute, um die finstern Täler, um das Unglück, das in den Versen zuvor beschrieben wird. Es gibt also nicht nur Sonnenschein und leichtes Leben.
Aber gerade in den Gefahren, in den Nöten meines Lebens bekomme ich keine Handlungsanweisungen: tu jetzt das und dann das, dann wird alles gut. Nein, wenn unser Leben nicht so verläuft, wie wir es uns geplant und gewünscht haben, wenn es ganz dick kommt, kann ich mich auf Gottes rettendes Eingreifen verlassen. Frisches Wasser, sattes Grün, Trost, ein gedeckter Tisch, ein gefüllter Becher wird mir versprochen. Das ist Leben in Fülle. Und ich erreiche das nicht durch mein Gutsein, durch Erfüllung bestimmter Erwartungen. Ich bekomme es, wie Luther sagen würde: allein aus Gnade.
Vor allem, auf das ich selber achten kann, steht diese Zusage Gottes: Ich bin der gute Hirte. Ich führe und leite dich, weil ich dich liebe.
Im Rückblick auf mittlerweile fast 64 Lebensjahre weiß ich, dass das stimmt.
Gebet:
Danke, Jesus, du guter Hirte, du versorgst mich mit Gutem.
Danke, Jesus, du guter Hirte, du begleitest mich durch’s Leben.
Danke, Jesus, du guter Hirte, du tröstest mich durch deine Nähe.
Danke, Jesus, du guter Hirte, bei will ich bleiben.
Danke, Jesus, du guter Hirte,
deiner Führung und deinem Schutz vertraue ich mich an.
Amen.
(Quelle unbekannt)
Isolde, im August 2021
Bilder:
privat