Andacht Juni 2020

Hast und Eile, das Vielerlei des Alltags…

Und schon wieder ein Monat vergangen… Wo sind nur die letzten Wochen geblieben? Ja, eigentlich das ganze Jahr… Was ist schon wieder alles passiert…
Geht es dir manchmal auch so, dass du das Gefühl hast, dass die Zeit an dir vorbeifliegt, dass du dich manchmal fragst, wohin eigentlich dein Leben rennt?

Hast und Eile, Zeitnot und Betrieb
nehmen mich gefangen, jagen mich.

Dieser Teil eines Liedes von Peter Strauch macht dieses Phänomen ein bisschen deutlich…

In den ersten Wochen der Corona-Zeit hatte ich das Gefühl, dass eigentlich die meisten Menschen denken, dass sich jetzt alles entschleunigt. Gefühlt: Die Zeit bleibt stehen. Die Erde steht still.  Von Hausputz, über jahrelang liegengebliebene Hobbies, viele Telefonate bis hin zu „endlich alle angefangenen Projekte fertig bringen“ und „endlich mal mehr Zeit für Gott“ hörte ich so manches.
Ehrlich gesagt, erlebte ich die ersten (vielleicht 2 ?) Wochen auch so… Überall war etwas mehr Ruhe eingekehrt… An schönen Spaziergänge habe ich gemerkt, dass „mehr“ Zeit da war. Ebenso konnte ich mehr Lobpreis hören und mich an vielen Andachten im Internet erfreuen.
Es dauerte aber nicht lange und in meinem Leben    
und so nahm ich es auch in meinem Umfeld wahr, war plötzlich das alte Schnelligkeits- und Betriebsamkeitslied wieder Melodie des Alltags. Die Zeit, die ich mehr mit Gott verbracht hatte, hatte plötzlich kaum keinen Platz mehr, wenn ich ihn mir nicht wirklich suchte…
Schnell merkte ich, die inneren Kraftquellen, die sich mir so wunderbar erschlossen hatten, versiegten … Kann es das sein?

Jesus wünscht sich von uns nicht, dass wir uns nur im Schaffen, der Betriebsamkeit, der Hast und Eile, dem Vielerlei des Alltags verlieren.
Jesus möchte, dass wir in seine Gegenwart kommen und hier das Tun und Schaffen sein lassen. Hierzu braucht es aber klar deine eigene Entscheidung, aus dem „Müssen und Wuseln“ auszusteigen. Wie schwer fällt dies mir, wenn ich doch weiß, wie viel ich noch zu erledigen habe, still zu werden, aufzuhören mit meinem Tun!

Vielleicht fällt dir hier auch die Geschichte von Maria und Marta ein (Lk 10,38-42).

Maria sitzt zu Jesu Füßen und lauscht dem, was er zu sagen hat. Marta hingegen kümmert sich ums Wohl des Gastes. Und irgendwann fordert sie ein, dass Maria ihr helfen soll.
Jesus antwortet in Vers 41 / 42:

„Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe. Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.“


Ich will nicht darüber philosophieren, was/wer nun besser ist/das richtige tut… Ich denke, es ist klar: Im Leben braucht es sowohl Martas als auch Marias. Vielleicht sogar in einer Person?

Hast und Eile, Zeitnot und Betrieb
nehmen mich gefangen, jagen mich.
Herr ich rufe: Komm und mach mich frei!
Führe du mich Schritt für Schritt.
Meine Zeit steht in deinen Händen.
Nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in dir.

Komm und mach mich frei!? Wovon könnte ich frei werden müssen? Was bringt mich in Eile, Hast, weg von den Füßen Jesus, weil ich Wichtiges, Dringendes, Notwendiges zu erledigen habe?

Ich glaube, da gibt es vieles, auch sicher bei jedem ein bisschen unterschiedlich.
Bei mir sind es die oft selbst eingebildeten Erwartungen, die andere an mich haben könnten. Oder aber das Gefühl, andere nicht warten lassen zu wollen, gleich reagieren zu müssen. Es ist die Prägung meiner Kindheit, sich an Struktur und Regeln zu halten oder aber erst fertig zu sein, wenn wirklich alles fertig ist… Ist man je fertig mit allem? Und wer legt eigentlich die Reihenfolge und Prioritäten fest!?
Und schon bin ich wieder bei den verpassten Gelegenheiten… Denn wenn ich mich FÜR etwas entscheide, entscheide ich mich im gleichen Atemzug auch GEGEN etwas Anderes.

Könnte es sein, dass Peter Strauch genau daran dachte, als er das Lied schrieb?
Mach mich frei, HERR, von dem, was ich mir selbst als Last und Hektik auflade?
Liegt sie vielleicht wirklich viel mehr in meinen Händen, als ich denke, meine Zeiteinteilung?

 

Führe, du, HERR, mich Schritt für Schritt. Wie kann Gott mich führen? Was brauche ich dazu? Maria muss in mir lebendig werden und Marta muss ruhen. Nur wenn ich mich zu Jesu Füßen setze, dann steht meine Zeit in Gottes Händen.

Bei Jesus finde ich Ruhe und Stille, kann selbst verschnaufen. Erst in der Stille kann ich erkennen, was wesentlich, wichtig und nötig ist. Erst in der Ruhe gelingt es mir, zu hören, was Gott zu mir spricht.
Nur, wenn ich Zeit mit Jesus verbringe, kann er mich ganz und neu erfüllen. Er kann mir Hoffnung und Weisheit schenken für die Fragen des Alltags. Er kann mir den Blick für die Nöte der anderen öffnen und mich selbst erquicken und neu stärken. In diesem Moment dient Jesus mir. Und erst wenn ER mir zum Diener wurde, kann auch ich wieder seine Dienende sein. Frisch gestärkt, vom Vater mit dem ausgerüstet, was ich brauche, um den Platz in meinem Leben einzunehmen, den er mir zugedacht hat… und das auch im ganz Alltäglichen.

Erst, wenn ich lerne, mich zu Jesu Füßen niederzulassen, kann ich in meinem Alltag eine Marta sein, die im Sinne und Willen Gottes dient, Gutes tut und Segen bringt. Und dass nicht nur im Großen, sondern auch im ganz Alltäglichen und in meinen Augen vielleicht Kleinen, Unbedeutenden.

„Das gute Teil erwählt“ heißt also, Zeit mit Gott zu verbringen, Hören auf sein Wort. Erst das bringt mir den guten Boden für mein Leben als Marta. Geistliches Leben beginnt mit dem Hören, nicht mit dem Tun. Das gefällt mir. Was für ein Bild, ausgerüstet durch Gottes Geist und seine Ruhe, selbst auch eine in Ruhe Dienende zu sein.
Steckt da nicht vielleicht auch für mich eine Antwort drin? Wenn ich als Maria die Nähe Jesus wähle, wähle ich damit die Herrschaft Gottes für und über mein Leben. Ich will das tun, was ER will, weil ich es von IHM höre, nicht, weil ich glaube, dass es Menschen von mir erwarten. Vielleicht fällt mir dann auch das Prioritätensetzen einfacher?
Denn wie ist es, wenn ich wie Marta immer nur an das Erfüllen meiner Pflichten und Aufgaben denke, an die Erwartungen der anderen?  Irgendwann geht mir die Kraft aus, ich verliere den roten Faden aus dem Blick. Ich werde leer, ausgebrannt und müde.

„Kommt her, Ihr, die Ihr müde und beladen seid, ich will ich Euch erquicken.“

Mt 11,28

Jesus läd uns ein:  Ruh dich in meiner Nähe aus. Lass deine Mühe und Sorge bei mir! Er will unsere innere Kraftquelle sein.


„Das gute Teil erwählen“ – mich bei Jesus niederlassen und neu ausrichten zu lassen, im Sein und im Hören vor IHM mich unter seinen Dienst und Segen zu stellen ---- das will ich lernen. Um das gute Teil, von dem Jesus spricht, musst du dich nicht mühen, es ist ein Gottesgeschenk an uns, das wir annehmen können, wenn wir uns die Zeit dafür nehmen.

Erhebt den HERRN,
betet an, vor dem Schemel seiner Füße,
denn ER ist heilig.
Psalm 99,5

Seeigel, im Juni 2020


Fußnoten:
Quellen:
    • Ruth Henkert, Elim-Gemeinde Dresden „Maria und Martha- Schwestern und doch so verschieden!“
    • predigten.evangelisch.de/predigt/martha-und-das-arbeitsmonster
    • https://www.meerholz-hailer.de/index.php/worte/predigten/269-predigt-zu-lukas-10-38-42-maria-und-marta-am-3-3-2019

Bilder:
    • pixabay
    • Zeichnung: upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/4/4f/Johannes_%28Jan%29_Vermeer_-_Christ_in_the_House_of_Martha_and_Mary_-_Google_Art_Project.jpg
    • Andreas-Kneiper. de (Bild)