Da standen wir nun. Ratlos und suchend wo der Weg weitergeht.
Inmitten der grünen Wiese war der Trampelpfad nicht so leicht zu erkennen.
Um uns herum der Zaun.
Der Eingang war klar ersichtlich. Der Ausweg noch nicht in Sicht.
Gestrandet - mitten auf einer Allgäuer Kuhweide.
Eingezäunt, gefangen, der Freiheit beraubt.
Der Kuhzaun setzt uns unter Hochspannung eine klare Grenze.
Bis hierher und nicht weiter …

Eine Grenzerfahrung, die mir im Leben immer wieder begegnet.
Da verläuft gerade alles rund und nach Plan und plötzlich hindert mich eine Grenze am weitergehen.
Im Job häufen sich die Schwierigkeiten und werden zu Problemen. Die Kinderlosigkeit oder eine Krankheit bringen mich an die Grenzen meiner Kraft. Freunde ziehen sich zurück und ich fühle mich ausgegrenzt.

Ich stoße an Grenzen und stoße mich daran.
Sie grenzen mich ein, berauben mich eines (vielleicht) besseren Lebens.
Es piekst – ganz gewaltig und manchmal reibe ich mich daran auf.

Grenzen anzunehmen ist vermutlich eine der schwierigsten Übungen, der wir ausgesetzt sind.
Allzu oft erscheint das Gras auf der anderen Seite grüner.

Dennoch gehören Trennungslinien zu dieser Welt, gehörten schon immer dazu. Sie trennen zwischen mein und dein, zwischen drinnen und draußen, zwischen hier und dort.
Jeder von uns hat Grenzen, das können physische oder psychische sein. Manchmal fühlt es sich  mehr danach an, dass Gott sie uns zumutet.
Aber kann es sein, dass er sie uns anvertraut?

Wenn ich über meinen begrenzten Horizont hinaus blicke, dann hat so eine eingezäunte Kuhweide auch etwas positives.

Hier darf die Kuh sein. Hier findet sie alles, was sie braucht.
Innerhalb dieser Grenzen kann sie sich austoben, auch mal ein Nickerchen machen, Frischluft genießen, sich satt fressen und am aufgestellten Trinkfass ihren Durst stillen. Was will eine Kuh mehr?

 

Auch ich brauche einen Rahmen (Grenzen), die mir Sicherheit geben.
Ein Zuhause, in dem ich mich geborgen fühle, in dem ich „ich selbst“ sein darf.
Gott gewährt mir diese Schutzzone, ja in IHM finde ich sie.

Der Herr ist mein Fels, meine Festung und mein Befreier. Mein Gott ist meine Zuflucht, mein Schild und mein starker Retter, meine Burg in sicherer Höhe.

so steht es in Psalm 18, 3

Grenzen als Schutz?
Grenzen als Schutz!

Ja, sie können und dürfen mich schützen.

Ein erster Schritt kann sein, dass ich meine persönlichen Grenzen wahrnehmen, respektiere und annehme.
Ja, hier bin ich begrenzt an Zeit, Kraft, Geduld, finanziellen Möglichkeiten, Wissen, …

Ein zweiter Schritt besteht vielleicht darin, dass ich diese Grenzen formuliere.
Oft kann das ein Hilfe sein für mich selbst, aber auch für mein Umfeld.
Da wo Mitmenschen meine Grenzen verletzen, wo sie mir zu nahe kommen, mich bedrängen und einengen, da kann eine bewusst gesetzte Grenze ein wichtiger Schutz vor weiteren Verletzungen sein.

Und im dritten Schritt kann es geschehen, dass Frieden in mir, in meinen Grenzen und Begrenzungen einzieht.

Er schenkt denen Heilung, die ein gebrochenes Herz haben und verbindet ihre schmerzenden Wunden. Er bestimmt die Anzahl der Sterne, sie alle spricht er mit Namen an. Groß ist unser Herr und reich an Kraft, seine Weisheit ist unermesslich. ... Er ist es, der innerhalb deiner Grenzen Frieden schenkt.

so steht es in Psalm 147, 3-5 + 14

Auch wenn ich die Grenzen noch wahrnehme, wenn sie mir Dinge schmerzlich bewusst werden lassen, so kann und will mich Gott beschenken – mit SEINEM Frieden, der all meinen Verstand und mein Denken übersteigt.

Vielleicht ist es genau dieser Friede, der mich mutig macht, Grenzen zu erweitern. 

Irgendwann hatten wir das kleine „Nadelöhr“ gefunden und unser Wanderweg ging weiter.
Ein kleines Türchen, das mir die Chance gibt Neues zu erkunden, aber auch wieder zurückzugehen in den Schutz der eingegrenzten Weidefläche.

Brauche ich das auch in meinem Erleben?
Eine Tür, die ich mutigen Schrittes durchschreiten kann, um meine Grenzen zu erweitern, um neue Eindrücke und Erfahrungen zu machen?
Meinen Horizont erweitern, wieder auf Menschen zugehen, Neuland beschreiten, ...
Für manche ist das ein Leichtes – andere tun sich damit sehr schwer, sind zaghaft und ängstlich. Welche Ermutigung ist es da, dass Gott Dir und mir zuspricht, dass wir gemeinsam mit IHM über Mauern springen können.
ER ist es, der uns dazu ausrüstet, der mit geht, der ermutigt und uns an der Hand nimmt.

 

Mit dem Schritt durch die Tür schließe ich mich auf Dauer auch nicht aus. Jederzeit darf  ich  zurück gehen in meinen „Schutzraum“ (siehe oben zitierter Psalm 18,3).

Die Wanderung hat mich ins Nachdenken gebracht.
Grenzen, die ich manchmal als negativ und einengend beurteilt habe, wurden in ein neues Licht gerückt.
Zuhause angekommen bin ich dankbar für diese wertvolle Lebenslektion, die mir einerseits Frieden schenkt, mich andererseits aber auch herausfordert mutig zu sein und gemeinsam mit meinem Vatergott innerliche und äußerliche Grenzen zu überspringen.

Simone im November 2019


Fußnoten:
Bibelverse aus der Neuen Genfer Übersetzung (NGÜ)
Fotos: privat