Andacht Juni 2024

In einem Kloster ...

Die Atmosphäre in einem Kloster, die einzelnen Räume und Flure, Gärten und die Menschen dort erzählen ihre Geschichte. Alles bettet einen selbst in etwas Größeres ein und gleichzeitig merkt man, wie klein man eigentlich ist.
Ebenso ging es mir in der Seminargruppe, mit der ich in einem Kloster war.
Ich erlebte mich als Teil einer bunten Menge an Menschen. Unterschiedliche Lebensgeschichten. Jeder und jede einzelne mit seinem / ihrem Charakter, von dem immer wieder Facetten aufblitzten. Glücksgeschichten, Leidensgeschichten, Freude, Trauer, Nähe, Distanz - jedes Leben reich an eigenen Augenblicken - in diesen Tagen durfte ich daran teilhaben.

 

In unserer Unterschiedlichkeit erleben wir uns gegenseitig, bereichern uns, inspirieren uns.

Im Kloster begannen wir jeden Morgen mit dem chinesischen Morgengruß. Alle diese Traditionen lassen viele von uns Christen ja erst einmal zurückschrecken oder sie ablehnen. Ich bat Gott, durch diese wiederkehrende Gruppenaufgabe an mir zu wirken. Den ritualisierten dreimal hintereinander vollzogenen Ablauf, hatte ich schnell verinnerlicht. Und als er mein eigener war, formte sich dieses Ritual zu einem innerlichen Gebet. Nicht jeder Teil des chinesischen Morgengrußes hat für mich eine göttliche, christliche Bedeutung bekommen. In einem Ausschnitt möchte ich euch an einigen Teilen mit in meine Gedanken hineinnehmen.

Ich öffne das Fenster
Über mir der Himmel
Unter mir die Erde
Und dazwischen: Ich!
Feuer
Wasser
Es ist genug von allem da
Ich mische es gut durcheinander
Werfe weg, was ich nicht brauchen kann

Und: Ein kleiner Rest für die Vögel
Der Lotos blüht auf
Ich umarme meinen Tiger mich
Und kehre zurück zum Berg

Ich öffne das Fenster

Bevor ich eintauchen kann in mein inneres Gebet, braucht es Öffnung und Ausrichtung. Öffnen meiner Seele und Ausrichten auf Gott, meinen Schöpfer und Vater, den ich anbeten möchte.

Die Bibelstelle in Daniel 6,11 wurde mir im Nachhinein bewusst, in der Daniel am Fenster betet:

Daniel ging in das obere Stockwerk seines Hauses, wo er die Fenster, die nach Jerusalem zeigten, immer geöffnet hielt. […] kniete er sich nieder, dankte und lobte Gott und flehte ihn an, wie er es auch sonst dreimal täglich machte.

Offenbarung 3, 20:

“Merkst du es denn nicht? Noch stehe ich vor deiner Tür und klopfe an. Wer jetzt auf meine Stimme hört und mir die Tür öffnet, zu dem werde ich hineingehen und Gemeinschaft mit ihm haben.

Über mir der Himmel

Mein Blick geht klar nach oben zu dem, der Mittelpunkt in meinem Leben ist. Durch meine Lobpreishaltung mit den Händen zum Himmel spüre ich diese Ausrichtung und Verbindung noch einmal intensiver.

"Herr, Jesus, Vater, du der Allmächtigen und Vollkommene, du Schöpfer dieses Universums, dir wende ich mich zu! Ich habe meine Augen und mein Gesicht dir zugewandt“

Unter mir die Erde

Mein Blick geht nach unten auf den Boden, auf den mich Gott gestellt hat. An meinem Platz, den ich einnehmen und ausfüllen darf.
Stehe ich sicher? Schwankt mein Boden?
Wie fühle ich mich an meinem Platz, in meinen Rollen, in meinen Aufgaben?
Darf und soll es so sein? Brauche ich Neuausrichtung?
Höre ich vielleicht sogar Gottes Ruf oder bekomme ich Bestätigung: Geliebtes Kind, hier sollst du sein, das ist dein sicherer Ort, dein Platz, den ich dir gegeben habe!

"Mein fürsorglicher Vater, du hast mich hierhergestellt, an diesen Ort, in diese Zeit, mit meiner Geschichte. Danke, dass ich Teil eines Großen sein kann. Danke, dass ich mit dir in Verbindung bin, meine Wurzeln in dir gründen."

Und dazwischen: Ich

Vom Blick nach oben über meinen Stand auf der Erde komme ich bei mir an. Mitten in mir, in meinem Körper, in meiner Seele.  
Wie leicht fällt es mir, bei mir selbst anzukommen?
Weiß ich, wer ich bin? Weiß ich, wen Gott in mir sieht?
Was macht mich aus?
Wo komme ich her, wo will ich hin?
Es gibt Menschen, die ruhen in sich, haben ein Ja zu sich selbst, zu ihrem Leben, ihrem Aussehen, ihrer Geschichte, ...
Andere Menschen zweifeln an sich an ihrem Selbst, an ihrem Wert. Manche zerbrechen sogar an ihren Geschichten, ihren Erfahrungen, ihrem Schmerz.

Wo bin ich selbst?

"Mein Beschützer, mein Heiland, du siehst mich. Du kennst meine inneren Gefühle, meine Gedanken, meine Sehnsüchte und Hoffnungen. Du weißt um mein Leid, meine Sorgen und meine Zukunft. Du kennst meine Erfolge und verlorenen Kämpfe gleichermaßen. Alles bin ich - dein geliebtes Kind! Du gibst mir Wert, du schenkst mir Zukunft und Hoffnung hier auf der Erde und in deiner vorbereiteten Ewigkeit, die mein ewiges Zuhause werden wird.“

Feuer, Wasser

Um mich herum die Elemente des Lebens: Feuer, Wasser, Luft und Erde. In allem kann ich Gott, als deren Schöpfer, begegnen. Feuer und Luft werden oft als Symbole für den Heiligen Geist gebraucht, den Tröster, den Jesus uns dagelassen hat, damit wir zu jeder Zeit mit ihm in Verbindung sind.
Beim Morgengruß in der Natur gelingt es leicht, sich vorzustellen, zu erahnen wo Gott in meinem Leben zu finden ist.
Das Lob der Vögel dringt an die Ohren.
Der Wind, der einen umspielt, berührt.
Die Sonne oder die Regentropfen lassen mich meinen Körper spüren.

 

"Danke Vater, dass du mir begegnen möchtest

  • in den Blumen am Wegrand
  • im Wind, der durch meine Haare fährt
  • in meinem Gegenüber
  • im fröhlichen Lachen des fremden Menschen
  • ...

Du bist mir nah - egal ob ich dich gerade spüre oder nicht!"

 

Es ist genug von allem da

Wir in unserer westlichen Welt leben materiell in der Fülle. Wir können uns mehr leisten und aussuchen als viele andere Menschen auf dieser Welt. Und gleichermaßen erleben wir oft emotionalen, seelischen, zwischenmenschlichen Mangel.
Während ich in meiner Klosterzeit bildlich aus der Luft die Fülle ergreife, frage ich mich, was es ist, was ich eigentlich am liebsten pflücken würde - wo spüre ich Mangel? Welcher Speicher müsste in mir gefüllt werden?
Gibt es eine Leere in dir, die du Gott hinhalten möchtest?
Bist Du von Schmerz erfüllt, weil du an einer körperlichen oder seelischen Krankheit leidest und alles menschlich aussichtslos scheint?
Ergreift dich vielleicht Freude, weil du dich gerade völlig erfüllt und reich gesegnet fühlst?
Was pflückst du aus der Fülle?

"Danke Vater für die äußere Fülle die du mir schenkst. Auch wenn ich mir vielleicht nicht alles leisten oder ich alles besitzen kann, bin ich so reich beschenkt und kann aus deiner Fülle leben. Heiliger Geist, ich bitte dich um deinen Trost, deine Freude und deinen Frieden für alle Leerstellen in meinem Leben, die ich in meinem Herzen spüre. Du kennst meine Verluste, meinen Schmerz und meine Angst. Du weißt um meine Krankheit. Danke Jesus, dass du mich nie in meinem Schmerz und der Leere alleine lässt. Danke Vater für deine Heilung."

Ich mische alles gut durcheinander / Ich werfe weg was ich nicht brauche

Das Leben, in allen Facetten: Mal hell, mal dunkel, mal schwer und beladen, mal federleicht.
Die Mischung macht mich und mein Leben aus.
Geläutert, gefeilt, geschliffen, geformt. Gezeichnet vom Leben, hart und weich, eng und weit.
Verbunden, mit Brüchen, verändert, verwittert, niedergedrückt, aufgerichtet,...

"Verletzt und (teilweise) geheilt, Sprünge, Verkrustungen, Risse und Spalten werden von dir, mein Gott, zur Vollendung gebracht. Durch dich bin ich geliebt, gewollt, bekomme meinen Wert, meine Bestimmung! Hab Dank dafür!"

Durch Gott darf ich lernen, Teile meines Lebens zu durchwachsen und sie nach und nach anzunehmen, aber auch Lasten bei ihm abzulegen und ohne sie vollkommener zu werden.

Ich umarme mich

Ich komme wieder bei mir an, nehme mich wahr. Ich lerne immer mehr, mit mir selbst versöhnt zu sein, mich anzunehmen, mich lieben zu lernen, mit allen Fehlern, Falten, Kanten.
Dennoch, trotz allem bin ich gewollt und geliebt.

"Jesus, Vater, danke, dass ich bei mir ankommen darf, wenn ich dich suche. Danke, dass ich meinen Wert durch dich und nicht durch meine Umstände bekomme. Danke, dass du mich kennst und trotz allem liebst!"

Und kehre zurück zu meinem Berg

Ich komme zurück ins Hier und Jetzt, mein Leben, so, wie es gerade ist.
Es hat sich äußerlich vielleicht nichts verändert, aber mein Blick hat Weite bekommen.

Ich stehe auf dem Berg, erhöht, mit einer besseren Sicht auf das Leben im Großen, auf Gott, Jesus und den Heiligen Geist und letztlich auf mich und meine Umstände.

Psalm 61, 2:

Wenn mein Herz überwältigt ist,
führe mich, Herr, zu dem Felsen, der höher ist als ich!

"Danke Vater, dass du meinen Blick immer wieder neu ausrichtest und weitest. Ich darf durch dich bei mir ankommen. Weil du mir Wert und Sinn, Bestimmung und Hoffnung gibst, darf ich sein - durch dich!  Amen."

Psalm 32, 8

„Ich will dir Verständnis geben und den Weg weisen, den du gehen sollst. Ich will dich beraten - mein Auge ruht auf dir.“


Seeigel im Juni 2024

Bilder:
privat