Andacht Oktober 2025
Scham - und wie Gott uns begegnet!
Scham ist ein Gefühl, das jeder Mensch kennt – und doch fällt es schwer, darüber zu sprechen.
Scham kann uns schützen, aber auch belasten.
Scham kann als notwendige soziale Kontrolle verstanden werden (z.B. bewahrt mich ein gesundes Schamgefühl davor, nackt durch die Fußgängerzone zu spazieren), unterstützt uns beim gesunden Reflektieren und sichert soziales Zusammenleben. Scham kann aber auch als lähmende Angst daherkommen: Scham kann uns isolieren, lähmen und entmutigen.
Scham greift so tief in unser Selbstverständnis ein, wie kaum ein anderes Gefühl. Scham kommt oft heimlich und ist ein stiller Begleiter.
Scham flüstert: „Du bist nicht genug.“, „Du hast gegen Normen verstoßen.“ „Du bist falsch.“. „Du hast nicht den Erwartungen entsprochen.“ „Wenn die anderen wüssten, wer du wirklich bist…“
Scham erzeugt einen riesigen inneren Schmerz.
Aber die Bibel bleibt bei diesem Schmerz nicht stehen. Sie zeigt uns einen Gott, der uns gerade in unserer Scham begegnet – und uns befreit.
1. Scham – der Bruch im Paradies
In 1. Mose 3, nach dem Sündenfall, lesen wir:
„Da wurden ihnen beiden die Augen aufgetan, und sie merkten, dass sie nackt waren (…)“ (V.7)
Der Sündenfall führte direkt zum Entstehen von Scham in der Welt, da Adam und Eva sich nach der Übertretung ihrer Nacktheit bewusst werden und sich vor Gott und einander fürchten. Vor dem Sündenfall herrschte eine Einheit und es gab gar keine Scham, diese Schamfreiheit wurde durch den Bruch beschädigt. Adam und Eva verstecken sich. Es ist ihnen peinlich, sie wollen im Boden versinken (da das nicht geht, versuchen sie es mit den Feigenblättern).

Zum ersten Mal in der Bibel tritt Scham auf – als Folge der Trennung von Gott.
Die Unschuld ist verloren. Die Beziehung zu Gott, zueinander und zu sich selbst ist beschädigt.
Scham ist mehr als ein unangenehmes Gefühl – sie ist ein Zeichen: Etwas in unserer Identität ist zerbrochen. Schuld bezieht sich auf ein Verhalten (Schuld kann getilgt werden), Scham hingegen zielt auf das Selbst ab und betrifft die eigene Identität und das Selbstwertgefühl.
Und was macht Gott? Gott sucht sie.
„Adam, wo bist du?“ (V.9)
Gott stellt keine zynische Frage. Er verurteilt nicht sofort. Er sucht den Menschen und kommt in die Verstecktheit hinein. Noch viel mehr, er ersetzt die unzureichenden Feigenblätter mit Fellen und bekleidet den Menschen. Gott sorgt für den Menschen, obwohl und nachdem der Mensch es selbst verbockt hat. Gott kümmert sich um die zerbrochene Identität.

2. Scham heute – immer noch aktuell
Wir leben nicht im Paradies – wir leben nach dem Bruch.
Auch heute verstecken sich Menschen – nicht hinter Feigenblättern, sondern hinter Fassaden:
- hinter Erfolg
- hinter sozialem Rückzug oder Süchten
- hinter Perfektionismus
Scham hat viele Gesichter:
- Der Mann, der seinen Job verloren hat und sich ungebraucht und wertlos fühlt.
- Die Jugendliche, die sich selbst verletzt, weil sie sich „falsch“ fühlt.
- Die Frau, die sich wegen ihres Körpers (zu dick, zu dünn, zu groß, zu klein) immer schlechter fühlt als andere.
- Das Ehepaar, das sich sehnlichst ein Kind wünscht und dennoch nicht schwanger wird…oder eine Schwangerschaft nicht intakt geblieben ist…
Die ungewollte Kinderlosigkeit ist ein besonders schmerzhafter Ort der Scham. Es fühlt sich „unvollständig“, „fehlerhaft“, „unfähig“, „unnormal“, „anders“,… an. Scham flüstert dann: „Du bist nicht würdig. Du versagst als Frau, als Mann, als Ehepartner. Dein Leben ist weniger wert, weil du dieses Geschenk nicht erhalten hast.“
Aber genau da spricht das Evangelium hinein.
3. Jesus – der, der die Scham trägt
In Hebräer 12, Vers 2 steht:
„…indem wir hinschauen auf JESUS, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der um der vor ihm liegenden Freude willen das Kreuz erduldete und dabei die Schande für nichts achtete, und der sich zur Rechten des Thrones Gottes gesetzt hat.“
Jesus starb öffentlich, nackt, verachtet – ein schändlicher Tod.
Warum? Weil er unsere Scham getragen hat. Er hat unsere SCHULD und SCHAM mit ans Kreuz genommen. Und ist beidem dort ausgesetzt.
Jesus hat in seinem Leben und besonders am Kreuz alles durchlebt, was uns an Scham und Ablehnung begegnen kann. Jesus weiß, kennt und versteht – unsere gefühlte Wertlosigkeit, unsere Scham, unseren Schmerz, auch den Schmerz der Kinderlosigkeit, den inneren Konflikt, den seelischen Druck, die Verletzung von Wünschen und Hoffnungen. (Übrigens: Jesus selbst war auch kinderlos… ein interessanter Fakt, der immer wieder in meine Gedanken kommt).
Er kennt den tiefen Schmerz des „Nicht-genügen“, des „Nicht-haben“ – und er trägt diesen Schmerz mit uns.
Er ist derjenige, der uns nicht abweist, wenn wir uns in unseren unerfüllten Wünschen und der Scham über das, was passiert oder nicht passiert ist, wiederfinden. Jesus ruft uns zu: „Komm zu mir – in deiner Unvollkommenheit, deinem Schmerz, deiner Leere.“
Er kommt in unsere verletzten Bereiche und will uns heilen – auch und gerade dort, wo wir denken, dass wir unzureichend sind und unseren Wert in äußeren Dingen suchen.
4. Glaube – Weg aus der Scham
Paulus schreibt:
„Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.“ (Römer 10,11)
Im Glauben an Christus bekommen wir eine neue Identität. Unser Wert begründet sich zu 100% in ihm, nicht in dem was wir haben, können oder leisten.
Nicht mehr: „Ich bin falsch.“
Sondern: „Ich bin geliebt. Ich bin angenommen. Ich bin Kind Gottes.“
Die Verheißung Gottes ist größer als unsere Scham.
Gott sagt: „Du bist nicht weniger wert, nur weil dein Leben nicht nach deinen Erwartungen verläuft.“
Er sieht dich. Und er wird mit dir in diesem Schmerz sein. An Jesus zu glauben und mit ihm zu leben, bedeutet nicht, dass alle Wünsche erfüllt werden, aber es bedeutet, dass du niemals allein bleibst.
Scham sagt: „Zieh dich zurück.“
Gott sagt: „Komm zu mir.“
Scham sagt: „Wenn man dich kennt, wird man dich ablehnen.“
Gott sagt: „Ich kenne dich – und ich liebe dich.“

Wenn du dich heute schämst – für deine Vergangenheit, deine Gedanken, dein Versagen oder auch für den Schmerz der ungewollten Kinderlosigkeit – dann hör diese Worte neu:
„Adam, wo bist du?“
Gott sucht dich. Nicht um dich bloßzustellen, sondern um dich zu bekleiden mit Gnade.
Er weiß um deinen Schmerz und möchte dich in deiner Verletzlichkeit aufnehmen.