Andacht Mai 2022

Du bist richtig so wie du erdacht bist

Glaubst du das? Fühlst du das?

Sicher erkennst du den Satz bei Geburtstagen oder Jubiläen: Bleib so wie du bist!

Die Frage ist nur, will ich das eigentlich?

Ich persönlich fühle mich nur dann wirklich lebendig, wenn es vorwärts geht, wenn es weitergeht, wenn sich etwas entwickelt in mir oder auch in meinen verschiedenen Lebensbereichen. Natürlich nicht überall auf einmal! ????

Halt mal kurz inne – – Was an oder in dir ist so richtig klasse? Für dich persönlich?!

Tatsächlich glaube ich, dass Menschen um uns herum viel mehr an uns „gut“ finden, wertschätzen, als wir selbst oder aber als wir denken. Manche Ecken und Kanten, Fältchen und Pölsterchen sehen wir nur selbst, sind uns nur unsere eigenen Hindernisse und Schranken. Unsere Umwelt nimmt sie so nicht wahr, bewundert vielleicht eher das eine oder andere oder sieht es einfach neutral.

Wenn wir in die Bibel schauen, begegnen uns immer wieder Menschen, die sich auch nicht für richtig hielten. Erinnern wir uns an Mose. Er fühlte sich absolut nicht wie ein großer Redner und Vorreiter. Aber Gott sah genau das in ihm und bildete ihn immer mehr dazu aus. Erst gab er ihm Aaron an seine Seite, um ihn zu unterstützen, später konnte Mose selbst vor dem Volk sprechen, ihnen Führer und Leiter sein.

Auch Gideon, in dem Gott einen tapferen Helden sah, war sich sicher, dass Gott sich vertan haben muss. Er, der ängstlich in seiner Höhle saß, konnte doch nicht gemeint sein (Richter 6).

Warum wusste Gott nur, dass diese beiden Männer und mit ihnen viele andere ihr Potenzial entfalten würden? Zum einen natürlich, weil ER ihr großer Schöpfer war und jedes kleinste Detail sich gut überlegt hatte. So, wie übrigens an DIR auch! Zum anderen hatte Gott aber auch schon während seiner Schöpfung den Platz im Auge, der genau der Richtige für Mose, Gideon, ... oder eben DICH ist! Auf diesen Platz hin hat er dich geschaffen. Und er hat einberechnet, dass er mit dir noch durch ein gewisses Trainingslager gehen muss, damit du den Platz, den er sich für dich erdacht hat, einnehmen kannst.

Ohne DICH kommt Gott nicht zum Ziel seiner Geschichte mit dir und deinem Umfeld, mit seiner großen Geschichte, in der DU ein wichtiges Teil bist.

Für den Platz, den Gott Mose zugedacht hatte, musste er nicht der Stärkste sein, der beste Redner – er musste einfach Mose sein UND Gott vertrauen und sich von ihm führen lassen. Und so ist es auch mit dir – sei du selbst und vertraue Gott, lass dich gebrauchen und weiterentwickeln, dann kannst du den Platz einnehmen, den er für dich geplant hat.

Bist du bereit, dich mit dem, was du hast und bist einzubringen? Bist du bereit, die Gaben und Voraussetzungen, die du mitbringst einzusetzen? Kannst du die Umstände, in die dich Gott platziert hat, akzeptieren? Bist du bereit, zu akzeptieren, dass Gott keine Fehler gemacht hat, als er genau den Platz aussuchte und den Platz für dich / den Plan für dich schmiedete? Oder willst du vielleicht viel lieber den Platz, die Stellung, das Aussehen, die Umstände von XY in deinem Leben? Schaust du vielleicht viel mehr neidisch darauf, was andere haben, bemühst dich in manchen Bereichen jemand zu sein, der du vielleicht gar nicht bist, um Plätze zu besetzen, die vielleicht gar nicht deine sind?

Es ist so schwer, den Perspektivenwechsel von meinem eigenen Blick über mein Leben, meine Umstände und meine Pläne vorzunehmen und mein Leben mit Gottes Augen zu betrachten. Eine der schwierigsten Lebenslektionen vielleicht überhaupt. Vermutlich wird vieles erst im Nachhinein verständlich.

So wie Sören Kierkegaard schreibt:

„Man kann das Leben nur rückwärts verstehen, leben aber muss man es vorwärts!“

Ich mag dir erzählen, wie Gott mit zwei Menschen aus meinem Umfeld Geschichte schrieb und dies doch gänzlich entgegengesetzt war, aber wohl wirklich rückblickend einen guten Sinn hatte. Beide Personen  - nennen wir sie Oskar und Theo – konnten sich in der jeweiligen Lage nur schwer mit Gottes Platzanweisung arrangieren, aber sie vertrauten der vehementen Stimme, die sie vernahmen.

Oskar war langjährig Leitungsmitglied in seiner Gemeinde. Er war gewissenhaft, brachte sich viel ein und bewegte einiges. Erst schleichend und dann immer fordernder stellte sich die Gewissheit ein, Gottes Stimme schien zu sagen: Leg deine Ämter nieder! Oskar tat sich schwer, konnte es wirklich sein, dass Gott von ehrenamtlichen Ämtern abberuft, obwohl dann eine Lücke entsteht? Das Umfeld war der Meinung: NEIN! Oskar fiel es schwer, gehorsam zu sein. Ihm wehte viel Gegenwind, sogar Ablehnung entgegen. Einige Beziehungen wurden vergiftet. Dennoch ging er den Schritt, den er von Gott hörte. Er legte seine Ämter nieder.

Theo war schon länger nicht mehr in dieser Gemeinde. Seine Geschichte hatte ihn an andere Plätze geführt. Irgendwann erreicht ihn die Mitteilung, dass ein neuer Kreis gegründet werden soll. Er hatte den Eindruck, nicht nur als Teilnehmer sich zu melden, sondern sich auch als Mitarbeiter sich einbringen zu sollen. Er zögerte… War es wirklich richtig, nach so langer Zeit, wieder gleich an vorderster Front einzubringen und mitbestimmen zu wollen? Er wagte den Schritt, Gottes Stimme für ihn war deutlich. Nach einiger Zeit wurde durch diesen neuen Kreis eine Bewegung innerhalb dieser Gemeinde, in der gerade er seine Fähigkeiten passend einbringen konnte, ohne die sich sonst manches gar nicht hätte entwickeln können. Ohne ihn hätte es genau diese Entwicklung diesen Weg nicht gehen können. Er war Vertrauensperson für viele, Bindeglied, Neudenker und Bewahrer. Leider war die Entwicklung eine Durststrecke, die viel Kampf und Unmut mit sich und ihn immer wieder an seine Grenzen und ins Zweifeln brachte.

Für Oskar stellte sich in dieser Zeit heraus, dass es sicher Gottes Plan war, ihn aus dieser Entwicklung herauszunehmen. Die Meinungen, Aktionen des Leitungsteams in Bezug auf diese Neubewegung konnte er von außen betrachtet, nicht teilen. Der Weg, der sich auf tat, war für ihn unübersichtlich und unklar. Mit seiner Art wäre er vermutlich sehr zwischen die Fronten geraten, vielleicht hätten sich sogar Spaltungen ergeben. Theo hingegen schien mit seiner Qualifikation und seiner Art in dieser Zeit am richtigen Platz, obwohl auch er mit dem Team haderte. Immer wieder fragt er Gott nach der Platzierung auch im Leitungsteam, denn dort war immer noch Oskars Platz frei. Aber Gottes JA kam nicht, der Platz blieb leer und ist es immer noch. In dieser ganzen Zeit waren viele Unklarheiten.  Gott offenbarte „rückwärts“ immer mehr seinen Plan für diese Gemeinde und einzeln für Theo und Oskar. Immer mehr wurde im Nachhinein klar, welche Rollen Gott Theo und auch Oskar zugedacht hatte.

Mir wurde durch diese Erfahrung  immer mehr bewusst, dass es nicht nur die eine große Berufung, Platzanweisung im Leben gibt. Gott hat in vielen Lebensbereichen für uns Plätze vorbereitet, die sich auch verändern können.

Plätze in der eigenen Familie.
Plätze in unserem Arbeitsumfeld.
Plätze im Ehrenamt.
Plätze in unserem Dorf, unserer Stadt, unserer Umgebung.
Plätze...

Gott beruft immer wieder neu. Länger- oder kurzfristig, groß oder klein, öffentlich oder still.

Ronja Aselmann schreibt in ihrem Buch "Know your season - Entdecke und lebe deine heutige Berufung" über ihre Berufungsgeschichte, ihre eigenen Zweifel und Fragen. Ich finde es sehr spannend, wie sie Berufung definiert, worin sie Berufung sieht und dann trotz eigenem Hadern immer wieder annimmt. Vorsicht: Bei ihr geht es viel um Aspekte ihrer Mutterschaft – vielleicht nicht für jede von uns das passende Buch. Sie war kinderlos, wurde ungeplant schwanger und bekam dann ein schwerkrankes Kind. Wie Ronja Aselmann auch, möchte ich uns ermutigen, Gottes konkreten Ruf für Hier und Jetzt, für genau diesen Lebensabschnitt zu entdecken und anzunehmen.

 

Während ich diese letzten Zeilen schreibe, befinden mein Mann und ich uns in einer Krise. Wir haben uns nach Gottes Ruf auf eine gemeinsame Reise gemacht und noch einmal ein Kind in unser Haus aufgenommen. Gerade aktuell zeigt sich, dass Gott uns mehr zumutet als wir dachten, noch mal tragen zu können. Wir erleben Wegbegleiter die uns unterstützen, gleichzeitig aber auch viele Beziehungen, die nicht tragen. Ich spreche also in diesem Augenblick aus einer eigenen Krise. Es fällt mir nicht leicht, im Hier und Jetzt zu bleiben, weil ich mir immer wieder Gedanken mache, wie es in der Zukunft aussieht…

Was, wenn die Kraft nicht reicht?
Was, wenn die Freude schwindet?
Was, wenn der Weg so steil wird, dass wir ihn nicht mehr gehen können?
Was ist, wenn wir uns sagen müssen, was wir tun, reicht nicht für dieses Kind!?

Mir fällt es schwer, den heutigen Tag als eigenen zu nehmen. Und merke ich nicht eigentlich, dass Gott trägt? Doch, ich merke es. Und ich will meine Berufung für heute annehmen, auch, wenn es mir schwer fällt. Ich bin kein Mensch, der es schafft, nicht den Blick in die Zukunft zu senden, vor allem sorgenvoll… Aber ich kann es lernen, Schritt um Schritt zu gehen.

Und genau darum wünsche ich Dir und mir, dass wir Gottes Hand nehmen und im Vertrauen auf ihn die nächsten Schritte in den Platz hinein, den er für uns ausgesucht hat, gehen. Dass das keine leichte Aufgabe ist, kenne ich aus meinem Leben. Dennoch oder gerade deswegen, lasst Gottes Hand ergreifen und im Vertrauen auf seinen guten Weg, seinen guten Plan für uns voranschreiten, auch wenn wir manches vorwärts leben müssen und nicht verstehen können.

In diesem Sinne hoffe ich, dass nicht nur die Maisonne unseren Weg erhellt, sondern dass es Gottes Wort, sein Licht, seine Güte und Gnade sind, dass es seine Hand ist auf unserer Schulter, die uns Mut macht, den nächsten Schritt zu gehen.

Die Andacht hat keine Bibelsprüche. Vielleicht hast du Freude daran, den Bibelspruch, der dir spontan einfällt zu diesem Thema, für dich aufzuschreiben. Du kannst ihn auch gerne im Forum posten oder mir privat (Seeigel) schreiben, ich würde mich sehr freuen! Lasst uns gegenseitig Ermutiger sein!

Gott segne dich!

Seeigel, im Mai 2022


Fotos:
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