Andacht März 2024

Hoffnung trägt - in die Zukunft

Die Wüstenwanderung der Israeliten (4. und 5. Mose) ist eine Geschichte, die viele Facetten hat. Der Aufbruch ins Verheißene Land, die Freude, sich auf den Weg zu machen und endlich in Freiheit zu leben, auf der einen Seite. Auf der anderen Seite, der weite Weg, der beschwerlich und unüberwindbar scheint.

Das Verlassenmüssen von Gewohntem, vielleicht auch das Zurücklassenmüssen von Menschen.
Und dann … dann kam das wirklich Schwierige, mit dem keiner gerechnet hatte: lange Jahre Wüstenwanderung, Hunger, Durst, Verfolgung, Umwege. Und gleichzeitig Wegführung, Wunder, Bewahrung.
Diese Zwischenzeit zwischen Aufbruch und Ankommen im Verheißenen Land war nicht nur damals die größte Herausforderung, auch heute sind solche Zeiten in unserem persönlichen Leben Wegetappen, die uns oftmals an unsere Grenzen bringen.

Im Oktober vergangenen Jahres habe ich eine Hannahs-Andacht zum Thema „Umbruch-loslassen-Neubeginn“ geschrieben. Diese ergab sich, da bei mir gerade viel im Umbruch war und ich einiges loslassen musste.

„Hanna war ganz in ihrem Kummer versunken und weinte bitterlich, während sie zum Herrn flehte.“

1. Samuel 1, 10

Während dieser Phase des schmerzlichen Loslassens ist mir bewusst geworden, dass ich „eine Perspektive, eine Hoffnung“ brauche, um überhaupt wieder den Elan zu haben, weiter zu gehen. So wurde die Phase des „Dazwischens“ (zwischen loslassen, neu annehmen und sich auf etwas Anderes ausrichten) eine Phase, in der ich meinen Blick nach einer Hoffnung ausstreckte. Hoffnung, dass etwas Neues kommt / Platz findet / sich entfalten darf / … Hoffnung darauf, dass ich wieder „sein“ darf.
Ohne Hoffnung geben wir auf, wir brauchen sie, um uns neu auf den Weg zu machen durchzuhalten. Ein Leben mit Hoffnung scheint wichtig zu sein. Wie sollen wir vielem von dem, was auf uns einströmt, uns beschäftigt, in unserem privaten Leben genauso wie im weltlichen Geschehen, begegnen, wenn wir nicht einen Funken Hoffnung in uns tragen? Einen Funken Hoffnung, trotz Angst und Chaos!

„Indem ich (…) auf das schaue, was vor mir liegt, versuche ich das Rennen bis zum Ende durchzuhalten (…).“

Philipper 3, 13f

Auch wir werden uns in unserem irdischen Leben immer wieder auf Wüstenwanderungen wiederfinden, hin und wieder ggf. auch ziellos. Vielleicht nicht so viele Jahre lang und vielleicht werden wir auch nicht in einem anderen Land landen, aber sicher gibt es Verheißungen oder Umbrüche (gewollt oder ungewollt), die uns aufbrechen und uns in etwas Neuem ankommen lassen. Manchmal müssen wir losgehen, ohne ein Ziel, eine klare Zukunft vor den Augen zu haben.
Was kann uns helfen, mit etwas mehr Zuversicht in solchen Zeiten unterwegs zu sein?

Neulich ist mir das Buch von Steffen Kern "Hoffnungsmensch - Mit dem Himmel im Herzen die Welt verändern" in die Hände gefallen.1 Hoffnungsmensch – ein schönes Wort... Nur was steckt dahinter? Zum einen natürlich für Steffen Kern, zum anderen aber auch vielleicht einfach für dich und mich? An was denkst du, wenn du das Wort „Hoffnungsmensch“ hörst?

Im Folgenden möchte ich ein paar Gedanken aufgreifen, die Steffen Kern in seinem Buch beschrieben hat. (Es ist damit nicht der Inhalt des Buches abgedeckt, es sind lediglich ein paar Streifzüge.)2
„Hoffen“ ist ein nach vorne leben, etwas erwarten, Bewegung, Dynamik, Neues wagen, neue Möglichkeiten.

Hoffnung = ein „vielleicht“ und Gewissheit.

Er beschreibt, dass das Wort „Hoffnung“ ursprünglich vom Wort „hüpfen“ kommt. Der Ursprung liegt in „hopsen, hüpfen“. Hoffnung scheint also etwas mit Freude und Bewegung zu tun zu haben und scheint irgendwie eine Glaubens- oder Lebenshaltung zu sein: „Hoffnungsfroh“ unterwegs sein.

Hoffnung ist mit etwas Zukünftigem verknüpft, ein Ziel/ ein Vorhaben/ ein „neuer Zustand“ in der Zukunft. So war es auch für die Israeliten. Ohne Gottes Zusage, das Ziel, Freiheit in dem für sie ausgesuchten Land erleben zu dürfen, hätten sie sich nicht auf den Weg gemacht. Und zwischendrin auf der beschwerlichen Reise wären sie wieder umgedreht, bei allen Entbehrungen, die sie an sich fühlten.
Hoffnung als Ausblick. Gleichzeitig ist für mich Hoffnung auch etwas, das mit Rückblick zu tun hat (was trug und hielt in der Vergangenheit?) und mit einem Auftrag oder einer Vision (wo will ich hin?). Woran kann ich meine Hoffnung festmachen?

 

„Doch die, die auf den Herrn warten, gewinnen neue Kraft. Sie schwingen sich nach oben wie Adler. Sie laufen schnell, ohne zu ermüden. Sie gehen und werden nicht matt.“

Jesaja 40, 31

Hoffnung als Antriebskraft, Motivator auf dem Weg zwischen „das war“ und „das soll werden“, dem „Dazwischen“.
Und wenn ich genau überlege, gibt es das nicht ständig in unserem Leben, kleine oder größere „Zwischenzeiten“?

  • Hoffnung auf dem Weg meiner Frage der Kinderlosigkeit: Es gibt noch Möglichkeiten, dass mein Traum vom eigenen Kind wahr wird. / Was soll mein Leben für eine Richtung nehmen, wenn ich mich von meinem Traum verabschieden muss?
  • Die letzten Monate in meinem alten Job / meiner alten Wohnung / … Die Hoffnung trägt mich in dieser Zeit, die Gewissheit, dass es gut, vielleicht sogar besser / leichter wird.
  • Wie soll es weitergehen mit den älterwerdenden Eltern? Wo sehen sie ihr Ziel, was ist ihr Wunsch? Wie kann ich den Weg gut mitgehen? Hoffnung auf einen gangbaren Weg für alle, eine gute Lösung, die den Eltern Freude in allem Schweren/Loslassen geben kann.

Abschied und Neubeginn sind mit die größten Herausforderungen im Leben.
Bereit sein, zum Aufbruch gelingt nur, wenn man loslässt, neue Schritte geht und Risiken eingeht3. Aber Hoffnung erweckt in uns auch den Möglichkeitssinn4, sie trägt in die Zukunft. Hoffen prägt und begrenzt gleichzeitig unser Handeln5.

Als Christen hoffen wir auf eine Kraft außerhalb von uns selbst, nämlich auf Gottes gute Führung, sein Handeln, seinen guten Plan, sein Durchtragen, seine Liebe, seine Gnade ,... Wir leben davon, dass wir durch ihn alles empfangen, auch wenn wir nichts kontrollieren, vorausplanen oder selbst beeinflussen können.

„Die mit einem festen Sinn umgibst du mit Frieden, weil sie ihr Vertrauen auf dich setzen.“

Jesaja 26, 3

Hoffnung scheint also irgendwie eine Art Resilienz, eine Widerstandskraft gegen Chaos und Angst zu sein6.

Gleichermaßen ist sie die Verbindung zu Gott, die Zuversicht, dass es jemanden gibt, der nicht nur das Ziel, die Zukunft kennt, sondern auch den Weg dorthin. Auf einem Weg, auf dem er uns nicht alleine lassen möchte.
Der, der hoffnungsvoll lebt, lernt in Zwischenphasen zu leben und diese auf dem Weg zum vollkommenen Ganzen als Teile des Weges zu sehen.
Widerstandskraft gegen die Angst, weil Gott der ist, auf den das Vertrauen gründet. Wie leicht schleicht sich die Angst in unser Leben. Bewältigt geglaubte Ängste kommen wieder. Neue überfallen uns, manchmal haben wir auch das Gefühl, wir werden von Angst (oder Schmerz) regelrecht überwältigt. Jegliche Angst bringt uns zu der Frage: Was muss ich befürchten? Während die Hoffnung die Frage stellt: Was kann ich (er)hoffen?7
Auch, wenn Angst und Schmerz uns die Hoffnung rauben wollen, sind wir ihnen nicht ausgeliefert.

Die Möglichkeit des Gebets ist der Schnittpunkt, in der die Angst den Möglichkeiten Gottes gegenübersteht. Im Prozess des Gebets richtet sich unser Herz auf Gott, unseren Hoffnungspunkt aus. Hoffnungsmenschen wissen, dass sie bedürftig sind und strecken sich im Gebet nach Gott, ihrem Halt, aus.8

„Freut Euch in der Hoffnung, haltet durch in schweren Zeiten, bleibt beständig im Gebet.“

Römer 12, 12

Schauen wir nochmal auf die Wüstenwanderung der Israeliten. Statt im Paradies zu sein, leben und wandern sie viele beschwerliche Jahre zusammen in der Wüste. Existentielle Fragen begleiten sie und bringen sie an den Rand der Erschöpfung, dem Abkehren von Gott. In dieser Zeit werden sie ein Volk der Hoffnungsgemeinschaft9. Ihr Blick geht in eine Richtung, dem Weg ins verheißene Land zu folgen. Auch in Niederlagen, Angst, Krisen und Hoffnungslosigkeit halten sie an der Zuversicht und der Hoffnung fest, von Gott alles erwarten zu können, selbst wenn sie es nicht kontrollieren und vorantreiben können. Auch sie hätten es sicher gerne klar und einfach gehabt, wären auf geradem Weg geordnet und sicher in ihrem verheißenen Land gelandet. In den Jahren der Wüstenwanderung, haben sie jedoch gelernt, auch Unvollkommenes zu akzeptieren und auszuhalten.

Für mich zeigt es, dass es auf Durststrecken immer Menschen geben muss, die

  • mit mir hoffen und glauben, die mich begleiten
  • die mir Mut machen, wenn ich erschöpft bin
  • entweder das gleiche Ziel oder den gleichen Weg haben oder aber, mein Ziel kennen
  • sich gemeinsam im Gebet mit mir auf einen Hoffnungsweg machen

Was hat die Israeliten zu einem hoffnungsvollen Volk gemacht?
Sie haben sich an dem festgehalten, was ihnen in ihrem Alltag begegnet ist:
Sie wurden begleitet und geführt von der Wolke am Tag, der Feuersäule in der Nacht.
Zeichen, die mir zeigen, der Weg, den ich gehe, ist richtig (offene Türen, Zusagen, Mut machen, …) oder aber falsch (kein inneres „ja“ / Frieden, Türen, die sich schließen, Sackgassen, …) können Gottes Reden in unserem Leben sein, um uns auf unsere Hoffnungswanderung zum nächsten Schritt zu lenken.

Die Israeliten haben auf ihrer Reise versorgende Wunder erlebt: Wasser in der Wüste, Manna, Wachteln, … Uns fällt es oft schwer, die Wunder in unserem Leben zu entdecken. Oft sind sie nicht so augenscheinlich, selten fallen sie vom Himmel. Dennoch glaube ich, wenn ich ein hoffnungsfroher, ein zuversichtlicher, glaubender Mensch sein möchte, darf ich Wunder erwarten und Gott bitten, meinen Blick und mein Herz dafür zu öffnen.
Auch die Tatsache, dass die Israeliten „Manna“ gar nicht kannten, im Vertrauen auf Gott und ihren guten Anführer Mose sich darauf einlassen, ja es sogar essen, zeigt mir, dass Gott in den Aufbrüchen unseres Lebens nicht nur Neues schenkt, sondern auch neu „versorgt“, wenn ich wage, mich darauf einzulassen. Vielleicht entdecke auch ich neue, nährende Quellen für mein Leben.

Sicher wird mir auf dem Wüstenweg aber nicht nur Gutes begegnen. Es wird Rückschläge geben, die meine Hoffnung schwinden und mich aufgeben lassen. Um in der Geschichte der Israeliten zu bleiben: Die Ägypter jagen den Israeliten hinterher, der Unmut und die Anklage gegenüber Mose wird groß, weil es den Israeliten schlechter geht, als gedacht.

Die Israeliten hatten keine Sicherheit, die in äußeren Umständen begründet war. Hätten sie darauf vertraut, wären sie mehrfach gescheitert. Stattdessen haben sie an einer inneren Gewissheit festgehalten, die ihnen Zuversicht und Glauben, Vertrauen und Halt gegeben hat.10 Sie haben auf Gottes Eingreifen, seine Wunder vertraut und gehofft. So gelang es ihnen auch in den schwersten Zeiten nicht aufzugeben. Ihre Hoffnung hat sie getragen. Sie haben Gottes Spuren in ihrem Leben wahrgenommen und sich an ihnen festgehalten, sich gegenseitig ermutigt, weiter zu gehen.  

Die Hoffnung weist über das Heute hinaus, sie vertraut darauf, dass es (wieder) besser werden kann. Sie glaubt daran, dass alles gut wird, weil es einen gibt, der alles gut machen kann. „Der Gott der Hoffnung wird die Welt vollenden. Er macht alles neu.“11

„Deshalb seid stark und mutig, alle, die ihr eure Hoffnung auf den Herrn setzt.“

Psalm 31, 25

Wir gehen in diesem Monat auf Ostern zu, dem bedeutsamsten Ereignis, der größten Hoffnungsgeschichte der Weltgeschichte überhaupt. Jesus war der erste Hoffnungsmensch. Gelebt im Chaos und der Bedrängnis, verbunden mit seinem Vater im Gebet. Seine Angst und Not hat er ihm zugeschrien und das große Ziel der Menschheitsgeschichte, die Auferstehung selbst durchlebt. Auf dieser beruht unsere Hoffnung – eine lebendige Hoffnung!

Ich möchte ein Mensch der Hoffnung sein. Selbst in der Hoffnung leben, aber auch anderen Mut machen, mutig hoffnungsvoll zu werden.


Seeigel im März 2024

Bilder:
privat

Quellen:
1) Steffen Kern, Hoffnungsmensch – Mit dem Himmel im Herzen die Welt verändern, SCM-Verlag, 2023
2) ebd., Seite 19-53, 108-114, 184
3) ebd., Seite 38
4) ebd., Seite 32
5) ebd., Seite 29
6) ebd., Seite 51
7) ebd., Seite 108
8) ebd., Seite 114
9) ebd., Seite 52
10) ebd., Seite 53
11) ebd., Seite 184